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Corona: Wann darf man eine Reise kostenlos stornieren?

Die positive Entwicklung der Corona-Infektionszahlen lassen uns auch beim Reisen aufatmen. Seit dem 15. Juni 2020 sind die Grenzen zu unseren europäischen Nachbarn wieder offen. Damit werden Urlaubsreisen – wenn auch mit vielen Sicherheitsbestimmungen – ins europäische Ausland wieder möglich. Bei aller Freude über die neu gewonnene Reisefreiheit bleibt vielleicht ein mulmiges Gefühl. Wie viel Spaß macht ein Urlaub, wenn zum Beispiel Wellness-Angebote nur eingeschränkt genutzt werden können? Was passiert, wenn die Ansteckungen mit dem Corona-Virus während des Urlaubs wieder steigen? Reicht dieses Unsicherheitsgefühl, um eine Reise kostenlos zu stornieren?

Grundsätzliches zur Stornierung einer Reise

Zunächst muss man zwischen einer

  • Pauschalreise = mehrere Leistungen bei einem Veranstalter gebucht und einer
  • Individualreise = einzelne Leistungen bei mehreren Anbietern gebucht

unterscheiden. Denn danach richten sich gesetzliche Bestimmungen.

Was gilt für eine Pauschalreise?

Für Pauschalreisen gilt das Pauschalreisegesetz. Es regelt unter anderem, zu welchen Bedingungen Kunden von ihrer Reise zurücktreten können. Eine Reisewarnung ist zum Beispiel keine notwendige Voraussetzung für einen kostenlosen Rücktritt.

In § 10 Abs. 2 heißt es dazu: „… kann der Reisende vor Beginn der Pauschalreise ohne Zahlung einer Entschädigung vom Pauschalreisevertrag zurücktreten, wenn am Bestimmungsort oder in dessen unmittelbarer Nähe unvermeidbare und außergewöhnliche Umstände auftreten, die die Durchführung der Pauschalreise oder die Beförderung von Personen an den Bestimmungsort erheblich beeinträchtigen. Tritt der Reisende nach diesem Absatz vom Pauschalreisevertrag zurück, so hat er Anspruch auf volle Erstattung aller für die Pauschalreise getätigten Zahlungen, nicht aber auf eine zusätzliche Entschädigung.“

Es reicht also, wenn eine erhebliche Beeinträchtigung der gebuchten Leistungen vorliegt.

Was ist eine erhebliche Beeinträchtigung einer Reise?

Einreiseverbote, Grenzschließungen, Flughafensperren oder Ausgangssperren beeinträchtigen eine Reise sicher erheblich. Auch die behördliche Sperrung einzelner Reiseetappen kann man als außergewöhnlichen Umstand ansehen, der eine Reise beeinträchtigt.

Ob die eingeschränkte Nutzbarkeit von Wellness-Angeboten eine erhebliche Beeinträchtigung darstellt, ist fraglich. Auch eine Maskenpflicht in Restaurants und Hotels oder notwendige Online-Reservierungen fallen eher nicht unter die gesetzlichen Bestimmungen für eine kostenlose Stornierung.

Reisewarnungen

Das Außenministerium gibt regelmäßig Reisewarnungen heraus und unterteilt diese in sechs Stufen.

Bei einer Reisewarnung der Stufe 5 wird vor Reisen in diese Region gewarnt, bei der Stufe 6 bezieht sich die Warnung auf das gesamte Land. Derzeit (Stand 17.6.2020) gibt es solche Reisewarnungen für 21 Staaten:

  • Belarus;
  • Brasilien
  • Ecuador
  • Indien
  • Indonesien
  • Iran
  • Mexiko
  • Nigeria
  • Pakistan
  • Peru
  • Philippinen
  • Portugal
  • Russland
  • Schweden
  • Senegal
  • Spanien
  • Südafrika
  • Türkei
  • Ukraine
  • USA
  • Vereinigtes Königreich

Zudem gilt eine partielle Reisewarnung für die italienische Provinz Lombardei sowie die chinesische Provinz Hubei.

Für alle anderen Länder, die bislang nicht unter die Stufe 5 oder 6 fallen, liegt derzeit Sicherheitsstufe 4 vor. Von nicht unbedingt nötigen Reisen wird abgeraten. Die Arbeiterkammer vertritt den Standpunkt, dass auch schon die Sicherheitsstufe 4 ausreicht, damit Auslandsreisen nicht mehr zumutbar sind. Die Frage einer kostenlosen Stornierung ist allerdings mit dem Veranstalter zu klären.

Zeitpunkt für einen kostenlosen Rücktritt

Nun haben wir in den letzten Wochen erlebt, dass sich die Umstände und gesetzliche Regeln recht schnell ändern können. Daher ist bei einer Stornierung auch ein zeitnaher Reiseantritt (rund 1 bis 2 Wochen) zu beachten. Reisende haben eine Verpflichtung, die Entwicklung abzuwarten. Wenn der Reiseantritt noch Monate entfernt ist, können Gründe für eine erhebliche Beeinträchtigung auch wieder entfallen und so die Reise ungehindert angetreten werden.

Was müssen Individualreisende beachten?

Für Individualreisen gibt es kein ausdrückliches gesetzliches Rücktrittsrecht. Dennoch können Kunden beim „Wegfall der Geschäftsgrundlage“ auch von den jeweils gebuchten Bausteinen ihrer Reise zurücktreten.

Ab wann kann man vom Wegfall der Geschäftsgrundlage sprechen?

REWI-Professor Thomas Schoditsch von der Universität Graz schreibt dazu:

“Im Reiserecht sind dafür drei Kriterien maßgebend: 1.) Die Sphärenfremdheit des Ereignisses („höhere Gewalt“); 2.) seine Unvorhersehbarkeit und 3.) die Unzumutbarkeit des Reiseantritts. In der richterlichen Praxis hat die Frage der Unzumutbarkeit große Bedeutung: Liegt Unzumutbarkeit vor, so steht dem Reisenden in aller Regel ein Rücktrittsrecht zu. Für Auslandsreisen sind dabei insbesondere Reisewarnungen des Bundesministeriums für Europäische und Internationale Angelegenheiten (BMEIA) maßgeblich; bei deren Vorliegen geht der OGH regelmäßig von der Unzumutbarkeit des Reiseantritts – und damit von einem Rücktrittsrecht des Reisenden – aus. Steht bis zum Reiseantritt allerdings noch ein erheblicher Zeitraum für die Beurteilung der Gefährdungslage zur Verfügung und können nachfolgende Ereignisse zu einer Verminderung des Risikos führen, muss der Reisende aber vorerst die weitere Entwicklung im Zielland abwarten.“

Reiserücktrittsversicherung

In der Regel sind kostenlose Stornierungen wegen Pandemien in der Reiserücktrittsversicherung ausgeschlossen. Wie Versicherungen konkret mit dem Thema Reiserücktritt und Covid-19 umgehen ist unterschiedlich.

Bei der Europäischen Reiseversicherung heißt es dazu auf der Homepage

Aufgrund der verbesserten Situation werden wir COVID-19 ab sofort so lange nicht als Pandemie und damit in der Storno und Reiseabbruch-Versicherung als Ausschlussgrund einstufen, wie die Situation stabil bleibt und es nicht wieder zu einem verstärkten Auftreten und damit zu Verschärfungen der Maßnahmen insbesondere auch der Reisebeschränkungen kommt. Solange die Situation also stabil bleibt, gilt wieder vollumfänglicher Stornoversicherungs- und Reiseabbruchschutz. Auch Stornofälle im Zusammenhang mit COVID-19 sind gedeckt. (Stand 17.06.2020)

Fazit

Als Pauschalreisender sind Sie reiserechtlich (Stornierung, Beistandspflicht) und auch im Falle einer Insolvenz des Reiseveranstalters gut abgesichert. Als Individualreisender genießen Sie diesen gesetzlichen Schutz nicht.

Wenn Sie bereits eine Reise langfristig geplant haben, müssen Sie die Entwicklung einfach abwarten. Denn für eine mögliche kostenlose Stornierung (Pauschalreise) muss der Reisebeginn zeitnah sein. Regelmäßig geht man hier von einer Woche vorher aus. Wenn der Reiseantritt später erfolgt, kann der Reiseveranstalter bei Stornierung Stornokosten verlangen. Man muss also abwägen: Reise schon jetzt absagen, dafür niedrigere Stornokosten zahlen oder abwarten und wenn sich die Lage nicht gebessert hat kostenlos zurücktreten. Auch wenn sie hier vielleicht weniger nützt: Eine Reiseversicherung schadet grundsätzlich nie.