Oberösterreichische Versicherung
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Von der Versicherung auf den Rasen: So ist es Schiedsrichterin zu sein

Barbara Wenigwieser ist 28 Jahre alt und wohnt in Perg. Die Mühlviertlerin arbeitet seit 2021 bei der Oberösterreichischen Versicherung im Kfz-Service. Vor ihrer Tätigkeit im Service hat Wenigwieser das Event-Team der Oberösterreichischen unterstützt und war als Mitarbeiterin in einem Kindergarten beschäftigt. Mit der Oberösterreichischen sprach sie über ihr liebstes Hobby, als Schiedsrichterin am Platz zu stehen.

Barbara, du bist seit 2008 Schiedsrichterin, wie kams dazu?

Das liegt bei uns in der Familie. Mein Papa WAR Schiedsrichter, mein Bruder IST Schiedsrichter. Ich hab' dann mit 13 gesagt „naja, wenn die das können, kann ich auch Schiedsrichterin werden“ und hab' kurz darauf den Schiedsrichterkurs gemacht. Das war eigentlich eine sehr spontane Aktion. Der Papa hat mich im Urlaub für die Prüfung vorbereitet. Ein halbes Jahr nach der Prüfung, mit 14, hab' ich dann zum ersten Mal anpfeifen dürfen. In Oberösterreich ist es so, dass man mit 13 zwar die Ausbildung beginnen kann, richtig starten und Schiedsrichterin sein, darf man dann aber erst mit 14.

Und man kann sich in diesem Alter schon durchsetzen am Platz?

Die ersten Spiele waren wirklich nicht so leicht, aber der Papa hat mich viel unterstützt. Ich hab' am Anfang oft mit ihm auf dem Platz gestanden und war Linienschiedsrichterin. Man fängt klein an. Ich hab' in der U14 meine ersten Spiele gehabt. Und letztlich müssen die Spieler akzeptieren: Was der Schiedsrichter sagt, ist in diesem Moment so.

Bei welchen Spielen pfeifst du?

Ich pfeife bei den Frauen und Männern. Österreichweit aber nur bei Frauen-Matches. Da bin ich hauptsächlich in Wien und Niederösterreich unterwegs. In Salzburg bin ich auch viel. Also bei den Damen pfeif' ich als Schiedsrichterin nur Bundesliga, bei den Herren bin ich in der Bezirksliga am Platz. Bin aber auch schon in der der Regionalliga als Assistentin mitgefahren.

Wie oft kommst du zum Einsatz? Wer bestimmt das?

Momentan pfeif' ich zwei Mal die Woche. Man kann sich das aussuchen. Es gibt ein Verfügungsblatt, wo du eintragen kannst, wann du verfügbar bist. Bei mir ist das grundsätzlich am Dienstag und am Wochenende. Ich bin aber flexibel und kann mich auch abmelden, wenn mir was dazwischenkommt. Das reicht mir auch.

Was war eines deiner schönsten Erlebnisse am Platz? Oder an welches Spiel kannst du dich noch erinnern, weil es besonders war?

Als mein Papa sein letztes Spiel hatte. Das war vor gut zehn Jahren. Da waren mein Bruder und ich bei ihm auf der Linie. Das war für uns alle sehr schön, mein persönliches Highlight eigentlich. Und das Match war damals sogar noch ziemlich spannend, weil viele rote Karten im Spiel waren (lacht). Da ist im Nachhinein noch lange darüber geredet worden. Und was mir auch noch einfällt: Mit 15 war ich bei einem Kollegen auf der Linie und wir hatten einen Flitzer am Feld. Das war bei einem Spiel in St. Georgen an der Gusen. Das hatte ich einmal und seither nie wieder. (lacht).

Wie lange kann man Schiedsrichter sein? Gibt’s da ein zeitliches Limit?

Grundsätzlich ist bei uns 70 Jahre das Limit – sowohl für Männer als auch für Frauen. Wir haben ein Mal im Jahr einen Limitlauf und solange man den besteht, kann man in der aktuellen Liga bzw. auch in höheren Ligen pfeifen. Schafft man den Test körperlich nicht mehr, darf man bei uns bis zur zweiten Klasse, das ist die unterste Liga in OÖ pfeifen. Mit 60 pfeift man keine Kampfmannschaft mehr, sondern nur mehr den Nachwuchs. Aber da hören die meisten dann ohnehin auf.

Gibt es viele weibliche Schiedsrichter in Oberösterreich?

In OÖ gibt es zirka zehn aktive. Ich sage jetzt zirka, weil nicht alle aktiv sind und pfeifen. Aktuell sind wir bei sieben Frauen. Das ist sehr wenig, bei 350 aktiven Schiedsrichtern in OÖ.

Woran denkst du liegt das?

Schwierig zu sagen. In erster Linie wahrscheinlich daran, dass es doch noch eine Männerdomäne ist, auch wenn der Frauenfußball immer mehr kommt. Trotzdem ist der Sport noch sehr männerlastig. Und vermutlich gibt es so wenige Schiedsrichterinnen, weil viele Frauen gar nicht wissen, dass man Schiedsrichterin sein kann. Ich muss auch dazu sagen, dass es am Spielfeld rauer zugeht und häufig Beschimpfungen fallen. Das muss man abkönnen. Als Frau hab' ich den Eindruck, wird man schneller in eine Schublade gesteckt. Ich hab' immer nur gelacht, wenn ein Spieler zu mir gesagt hat: „Du gehörst in die Küche. Oder „Geh tanzen“. Da muss man drüberstehen.

Was ist die größte Herausforderung als Schiedsrichterin?

Du musst in Sekunden entscheiden und zu deinen Aussagen stehen. Alleine der Blickwinkel der anderen Schiedsrichter kann Entscheidungen zum Beispiel beim 11-Meter widerlegen. Da deinen Fehler einzugestehen, ist gar nicht so einfach. Man steht eigentlich dauernd unter Stress: Man läuft, man denkt und soll entscheiden und gelassen reagieren, wenn andere deine Entscheidung nicht verstehen – obwohl du ihm deine Entscheidung erklärst und argumentierst. Aber das trägt auch viel zur Persönlichkeitsbildung bei. Man lernt in schwierigen Situationen ruhig zu bleiben und sich nicht provozieren zu lassen.

Egal, ob Spieler oder Fans. Als Schiedsrichter steht man sicher immer irgendwo in der Kritik und stellt deine Entscheidung infrage, oder? Man hört sehr oft „Der Schiri war schuld, dass das Spiel nicht gewonnen wurde“

Genau, genau. Das ist so. Was ich schon Spiele entschieden habe, von denen ich gar nichts weiß. (lacht).

Muss man als Schiedsrichterin viel Zeit in Fortbildung investieren? Ändert sich an den Regeln häufig etwas?

Mit Juli beginnt die neue Saison und dann gibt es die Regeländerungen. Die ändern sich einmal im Jahr. Da haben wir verpflichtende Schulungen, wobei wir schon auch einmal im Monat Schulung haben. Ein Mal in der Woche ist dann zusätzlich auch Training. Ich war nie Fußballspielerin, aber es ist schon ein bisschen mit einem klassischen Fußballtraining zu vergleichen. Man wärmt sich auf, macht Koordinations-, Kräftigungs- und Sprungübungen und am Schluss ist dann meist noch ein kleines Kickerl mit dabei – da weiß man dann immer, warum man selbst nicht spielt (lacht). Im Winter gehen wir auch als Gruppe laufen.

Barbara WenigwieserFoto: Gerhard Breitschopf

Beim Laufen muss ein Schiedsrichter dann doch konditionell fast schon besser aufgestellt sein als ein Spieler, oder?

Rein theoretisch ja. Offiziell rennt der Schiedsrichter am meisten. Ein Verteidiger bleibt halt dann mal auf der Mittelauflage stehen oder ein Stürmer geht gar nicht so weit zurück und wir sollten eigentlich immer auf Ball-Höhe sein. Das heißt, da muss man schon viele Meter machen.

Was muss man mitbringen, um Schiedsrichterin werden zu können?

Man muss wirklich gern zum Spiel hinfahren, egal bei welchem Wetter oder bei welchen Mannschaften. Man muss gerne sagen: „Heute bin ich der Chef am Platz!“. Man muss entscheidungsfreudig sein. Natürlich ist die Fitness wichtig, man muss gerne laufen. Und diskussionsfreudig sein. Nach jedem Spiel, egal, ob du' s gut gemacht hast oder nicht, wird viel diskutiert. Über Abseits, ein Foul, einen 11-Meter, egal was im Spiel war.

Aber es gibt keine Tests, die man da vorher bestehen muss?

Du hast schon einen Grundlauftest, bei dem du in 12 Minuten eine gewisse Kilometeranzahl durchlaufen musst. Also eine sportliche Abfrage gibt es da schon…aber sonst…ja, ein ärztliches Attest braucht man noch.

Jetzt hast du bereits erzählt, dass ihr Trainings habt. Machst du darüber hinaus auch noch etwas für deine Fitness und Ausdauer?

Im Winter freut mich das Laufen alleine meistens nicht, aber ich setz' mich einmal in der Woche auf den Hometrainer. Die Kondition beim Laufen ist eigentlich das wichtigste.

Gibt es für dich ein Spiel, das du unbedingt pfeifen willst?

Nein gar nicht. Egal ob bei den Damen oder den Herren, Spiele mit vielen Zuschauern – also Derbys – sind für mich eigentlich immer die Schönsten. Da tut sich immer viel und die Stimmung macht schon viel aus.

Gibt es bei dir Matches, wo man als Schiedsrichter im Vorfeld schon weiß, die werden schwierig und da will man eigentlich gar nicht so gern pfeifen?

Es gibt schon Schiedsrichter, die sich da vorher viele Gedanken machen. Die auch genau wissen, wer wo in der Tabelle steht. Ich lass' das alles eher auf mich zukommen und versuche möglichst unvoreingenommen ins Spiel zu gehen. Auch wenn im Vorfeld über die Leistung geredet wird – ich sag dann immer, wir werden dann eh sehen, wie gut sie drauf sind. Natürlich gibt es Mannschaften, mit denen man in der Vergangenheit nicht so gut ausgekommen ist und man spürt, dass man nicht so willkommen ist, aber das ist zum Glück eher selten.

Geht sich neben deiner Schiedsrichter-Tätigkeit eigentlich noch ein anderes Hobby aus?

Ja, ich geh' recht gern Wandern. Das ist ein schöner Ausgleich, wenn du einmal keine Leute rund um dich hast. Sag' ich ganz ehrlich. Und ich hab' das Reisen wieder für mich entdeckt.

Gibt es eine Mannschaft, von der du Fan bist?

Ganz ehrlich: nein. Das glaubt man jetzt wahrscheinlich gar nicht, aber ich schau' auch ganz selten Fußball im Fernsehen. Ich treff' mich lieber mit Kollegen und schau selbst ein Spiel an. Wir gehen dann aber gar nicht so sehr wegen den Mannschaften zum Spiel, sondern weil uns interessiert, wie ein spezieller Schiedsrichter pfeift. Da kann man viel lernen.

Also pfeift jeder Schiedsrichter anders?

Tatsächlich, ja. Man kennt da schon Unterschiede. Jeder geht mit den Menschen anders um. Das kennt man schon alleine am Pfeifen. Da gibt es Unterschiede bei der Pfeifensprache. Wenn das jemand gut kann, muss man nicht mal am Platz stehen, um zu wissen, welche Karte jetzt gleich kommt. Jeder Schiedsrichter hat einfach seine eigene Linie. Die einen lassen ein bisschen härter spielen und pfeifen nicht jede kleine Berührung, die anderen unterbrechen eher wegen Kleinigkeiten.

Kann ein Schiedsrichter also ein Spiel entscheiden?

Jein. Wenn eine Mannschaft im Laufe des Spiels vom Schiedsrichter nicht mehr ganz so viel Spielraum bekommt, was Verstöße angeht, muss sich die Mannschaft schon vorher einiges geleistet haben. Im Endeffekt entscheidet immer noch die Leistung der Spieler.